Dieses vor einiger Zeit geführte Interview mit dem 1. Bürgergeister der Stadt Königsbrunn Franz Feigl und Günther Riebel, Geschäftsführer der GWG, zeigt nach wie vor die Problematik der Wohnraumsituation allgemein und in der Stadt Königsbrunn.
Herr Bürgermeister Feigl, eine angespannte Wohnraumsituation bringt man meist mit Großstädten und Ballungszentren in Verbindung. Ist das tatsächlich auch in Königsbrunn ein Thema, für das die Stadt Lösungen finden muss?
Franz Feigl: Durchaus. Unsere Bevölkerungszahlen steigen tatsächlich seit Jahrzehnten stetig, dementsprechend benötigen wir auch immer mehr Wohnraum. Vor allem aber fehlt bezahlbarer Wohnraum. Dieser bundesweit erkennbare Trend macht sich im Großraum Augsburg bemerkbar und verschont auch Königsbrunn nicht. Eine preiswerte Wohnung zu finden, ist immer schwieriger geworden. Das liegt auch daran, dass der Bestand an sogenannten Sozialwohnungen sich Jahr für Jahr reduziert, da die Sozialbindung ausläuft. In Königsbrunn haben wir den Bedarf erkannt und reagiert, um die Situation zu verbessern.
Welche konkreten Anforderungen haben sich daraus ergeben?
Franz Feigl: Uns war klar, dass wir neuen bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten schaffen müssen, für Singles, Paare und Familien. Hinzu kommt, dass wir aufgrund gesellschaftlicher und demografischer Veränderungen auch andere Wohnformen benötigen: mehr Wohnungen für Senioren oder auch für Menschen mit Behinderung. 2015 standen wir zudem noch plötzlich vor der Aufgabe, rund 500 Asylbewerber unterzubringen, die uns zugeteilt wurden.
Warum fühlt sich die Stadt hier in der Pflicht?
Franz Feigl: Grundsätzlich ist ja schon in der Bayerischen Verfassung festgeschrieben, dass der Bau billiger Volkswohnungen Aufgabe der Städte und Gemeinden ist. Königsbrunn stellt sich hier von jeher seiner Verantwortung. Eine gute, sichere und sozial verantwortbare Versorgung der Bürger mit bezahlbarem Wohnraum hat für uns hohe Priorität, dafür setze ich mich auch persönlich ein.
Welche Rolle spielt die GWG dabei?
Franz Feigl: Schon 1968 wurde eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ins Leben gerufen, um die Wohnraumversorgung zu sichern. Die heutige GWG als Tochtergesellschaft unserer Stadt ist für mich ein wichtiger, schlagkräftiger Partner, um soziales Bauen und Wohnen in Königsbrunn realisieren zu können.
Herr Riebel, was leistet die GWG konkret?
Günther Riebel: Im Laufe ihres nun nahezu 50-jährigen Bestehens hat die GWG vielfältige Aufgaben übernommen. Hunderte Eigentumswohnungen, Reihenhäuser und Doppelhaushälften wurden in kommunaler Bauträgerschaft errichtet und zahlreiche Baugebiete entwickelt und vermarktet. 475 weitgehend öffentlich geförderte Mietwohnungen sind in diesen nahezu fünf Jahrzehnten gebaut worden. Zu einem zentralen Handlungsfeld haben sich in den letzten Jahren Sonderwohnformen wie das seniorenbetreute Wohnen oder das Mehrgenerationenwohnen entwickelt. Aber auch die sozialadäquate Unterbringung eines Großteils der der Stadt Königsbrunn zugewiesenen Asylbewerber gehört heute zu den wichtigen Aufgaben der GWG.
Wie macht sich die angespannte Wohnungssituation in der Praxis bemerkbar?
Günther Riebel: Wir sind seit Jahren mit einer sehr hohen Zahl an Mietgesuchen konfrontiert: 2017 beispielsweise gingen ca. 500 neue Wohnungsanfragen bei uns ein, im selben Jahr hatten wir aber auch nur 10 Kündigungen. Die Fluktuationsrate ist mit nur 2,4 Prozent auf einem historischen Tiefstand, früher hatten wir einen Mieterwechsel von etwa 12 bis 15 Prozent. Das verdeutlicht, wie drastisch die Situation ist. Und hinter diesen Zahlen stehen ja einzelne Menschen oder ganze Familien, die sich oftmals wirklich in einer prekären Situation befinden. Das macht uns sehr betroffen.
Mit welchen Maßnahmen hat die GWG darauf reagiert?
Günther Riebel: Wir haben uns zu einem Neubauprogramm entschlossen, um unseren eigenen Wohnungsbestand weiter auszubauen. Unser Ziel war es, auf diesem Weg dauerhaft guten, sicheren und bezahlbaren Wohnraum in ausreichendem Maße für die Bürger der Stadt bereitzustellen, so wie es unser Satzungsauftrag vorgibt. So haben wir innerhalb von fünf Jahren Wohnraum für rund 500 Königsbrunner Bürger erstellt.
Das klingt nach einem gewaltigen Kraftakt für GWG?
Günther Riebel: Ja, ohne Frage. Wir haben ein Investitionsvolumen von 33,5 Millionen Euro gestemmt und unseren Wohnungsbestand mit den Neubaumaßnahmen deutlich erhöht. Allein im Zeitraum von 2015 bis 2018 haben wir 153 neue Mietwohnungen an fünf Standorten realisiert.
Wie konnten Sie das leisten?
Günther Riebel: Das war möglich, weil wir mit der Stadt Königsbrunn einen Hauptgesellschafter und mit unserem Aufsichtsrat unter Vorsitz von Bürgermeister Feigl ein Gremium haben, dem das Thema bezahlbarer Wohnraum wirklich wichtig ist. Die Stadt hat durch Sach- und Kapitaleinlagen den Wert unserer Gesellschaft mehr als verdoppelt.
153 Wohnungen an fünf Standorten - welche Bauprojekte waren das konkret?
Günther Riebel: 24 Wohnungen für Flüchtlinge sind im Süden der Stadt beim Bauprojekt Neuhauswiese entstanden. Außerdem haben wir mit dem zweiten Bauabschnitt des Generationenparks weitere 30 Mietwohnungen fertiggestellt. 25 Wohnungen davon sind öffentlich gefördert, also sogenannte Sozialwohnungen. In direkter Nachbarschaft, ebenfalls in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, sind im Sonnenhof 33 freifinanzierte Wohnungen für alle Generationen entstanden. Im Norden der Stadt haben wir mit dem Kolpingpark an der Föllstraße 48 Wohnungen realisiert. Ein Teil davon ist freifinanziert, ein Teil öffentlich gefördert. Fertiggestellt wurde auch das Bauprojekt Blumengarten an der Bodenseestraße. Hier haben wir 17 freifinanzierte Seniorenwohnungen und eine Tagespflegeeinrichtung errichtet.
Können Sie Zahlen nennen, was bezahlbarer Wohnraum genau bedeutet? Wie hoch sind die Mietpreise in den Neubauwohnungen?
Günther Riebel: Die freifinanzierten Wohnungen kosten 8,80 Euro pro Quadratmeter. Das ist für einen Neubau immer noch günstig, in Augsburg muss man dafür inzwischen bis zu 12 Euro bezahlen. Mieter von sogenannten Sozialwohnungen erhalten öffentliche Fördermittel. Je nach Einkommen bezahlen sie in den neuen Wohnungen eine Miete zwischen 5,80 Euro und 7,80 Euro pro Quadratmeter.
Herr Bürgermeister, was haben Sie getan, um Wohnraum für die Asylbewerber zu schaffen?
Franz Feigl: Das Thema war mir sehr wichtig, zumal ich vor meinem Amtsantritt ja bei der Regierung von Schwaben für Flüchtlingsbetreuung und Integration verantwortlich war. Angesichts des Stroms an Asylbewerbern war auch Königsbrunn in der Pflicht. Es galt, schnell und kreativ Lösungen zu entwickeln, um die geflüchteten Menschen aufnehmen zu können. Zunächst haben wir auf dem Gelände des Kolping-Bildungswerks an der Germanenstraße, das die Stadt bereits 2013 erworben hatte, eine Gemeinschaftsunterkunft geschaffen. In einer Bauzeit von nur 15 Wochen ist es der GWG gelungen, das seit vielen Jahren leer stehende ehemalige Berufsschulgebäude der Kolping-Stiftung umzubauen. Hier können wir 62 Asylbewerber unterbringen und betreuen. Darüber hinaus ist auf dem Gelände an der Landsberger Straße das Wohnprojekt Neuhauswiese entstanden, das Herr Riebel schon angesprochen hat. Statt der üblichen Containerbauten hat die GWG hier acht zweigeschossige Holz-Fertighäuser errichtet, die Wohnraum für 116 Asylbewerber bieten. Die Anlage ist in der jetzigen Form auf 10 Jahre befristet, danach kann sie auch anderweitig genutzt werden. Das modulare System ermöglicht einen späteren Um- oder Ausbau. Außerdem stehen einige der Wohnungen im neu erstellten Kolpingpark für anerkannte Asylbewerber zur Verfügung.
Die GWG hat in den letzten Jahren ein immenses Pensum an Bauprojekten gestemmt. Wie geht es weiter?
Günther Riebel: Unser aktuelles Projekt ist ein Wohn- und Geschäftshaus, das wir soeben auf der ehemaligen Brachfläche neben der Kreissparkasse fertig gestellt haben. Der Neubau auf dem rund 2300 Quadratmeter großen ehemaligen Sparkassengrundstück besticht durch seine moderne Architektur und der markanten Klinker-Fassade. Hier entstanden auf 4 Geschossen 22 Mietwohnungen mit außerordentlich gestalteten Außenanlagen. Im Erdgeschoss ist jetzt das Bürgerservicezentrum der Stadt angesiedelt, dazu zählen das Einwohnermeldeamt, das Fundamt, das Gewerbeamt, das Ordnungsamt, das Sozialbüro, die Straßenverkehrsbehörde, der Bereich Schule, Kita und Sport sowie das Polizeidienstzimmer der Boblinger Polizeiinspektion. Alle Räume sind offen, hell und natürlich barrierefrei gestaltet. Im ersten Obergeschoss haben Anne Schwenk und Christian Guranti eine modere Praxis für Physiotherapie und Ergotherapie eröffnet. Sie bieten individuelle Therapien im Bereich Neurologie, Pädiatrie, Orthopäde, Geriatrie und Psychiatrie. 42 Tiefgaragen-Stellplätze runden die vielseitige Nutzung dieses modernes Gebäudes mit seiner prägenden Optik ab und wir können mit Fug und Recht sagen, der erste Schritt in die Vision 2030 ist gemacht, die nicht einfache Umsetzung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist gelungen und unsere Stadt ist damit um ein Stück moderner geworden.
Herr Bürgermeister, was planen Sie in Zukunft, um das soziale Bauen und Wohnen voranzutreiben?
Basis für jeglichen städtischen Wohnungsbau sind an erster Stelle dafür geeignete Grundstücke. Daher liegt hier unser ganz besonderes Augenmerk – wir müssen im Bereich des Grundstückserwerbs weiterhin aktiv bleiben. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung der Stadt Königsbrunn mbH werden wir an diesem Thema weiter arbeiten.
Herr Bürgermeister Feigl, Herr Riebel, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview.
Dieses Interview hat unsere Redaktion bereits von einiger Zeit geführt, inhaltlich ist es immer noch aktuell und bringt das Problem Wohnraum auf den Punkt.